Uhrzeit: 16 Uhr
Wie könnte eine Zukunft für das Strafjustizzentrum aussehen? Um das herauszufinden, hat die Initiative JustizzentrumErhalten einen Ideenwettbewerb ausgerufen: Jede*r war eingeladen, Visionen für die Weiternutzung des Gebäudes einzureichen. Architekt*innen, Planer*innen, Studierende, Schüler*innen und viele weitere Einzelpersonen und Kollektive haben 121 Vorschläge gemacht, die von einfach umsetzbar bis hin zu ausgefallen und experimentell reichen.
Am 15. und 16. Juli hat eine unabhängige Jury die eingereichten Arbeiten über zwei Tage beurteilt und in mehreren Abstimmungsrunden 13 Preisträger*innen ausgewählt. Insgesamt sind von den 121 Einreichungen 30 Arbeiten in die engere Auswahl gekommen.
13 Preisträger*innen
110 WAS IHR WOLLT – Amelie Steffen + Maximilian Atta
In einem partizipativen Prozess wird das Erdgeschoss des Justizzentrums zur Stadt geöffnet. So entstehen neue Wege durch das Viertel und ein nutzungsoffener Stadtraum, den sich die Bürger*innen aneignen können.
Jurystatement:
„Wir wollen das! Genau das! Einfach mal ganz unten anfangen. Reingehen. Gleich loslegen. Alle reinlassen. Schranken überwinden. Sich treffen und gemeinsame Wege finden. Entwickeln. Probieren. Bleiben! Aus low-tech wird irgendwann high-tech und das Haus blüht auf, bis ganz nach oben! Sich von unten gemeinsam ganz hoch tasten. Wir sind gespannt auf die Blüten.“
123 Austern mit Alpenblick – wurzelsieben
Das Justizzentrum wird zu einem Ort pulsierender Lebenskraft und einer Überfülle von urbanen Möglichkeiten – einer echten „Münchner Mischung“, die sich auch ständig verändern darf. Von dringend benötigtem Massenwohnungsbau, bis hin zu einem öffentlichem Swimmingpool, Kino, Boxclub und Restaurant. Und weil wir in München sind, auch gern etwas Luxus: also Austern bitte unbedingt nur „mit Alpenblick“.
Jurystatement:
„Der Vorschlag besticht durch eine architektonisch visionäre Setzung und das Vereinen von Gleichzeitigkeiten und Widersprüchen der Stadt unter einem Dach. Durch eine utopische Überhöhung der Bebauung des Justizzentrums und das Vereinen von scheinbar gegensätzlichen Bedürfnissen unter einem ikonischen Sphinx-Bau kann ein Begegnungs- und Diskursraum geschaffen werden. Die filmische Referenz auf Koolhaas’ bauliche Hommage an die Vielfalt New Yorks wird zum logischen Referenzrahmen für die Vielfalt und Schönheit Münchens. Das Projekt setzt einen klaren Akzent auf ein ‚lebendiges Abbild‘ der Münchner*innen und arbeitet die Sichtbarkeit von vielfältigen Lebenswelten heraus. Eine Utopie, die es sich zur Aufgabe macht, Widersprüche auszuhalten oder auszutragen und diese auch zu feiern. Diese Kombination aus utopischer Vision und Innovationskraft überzeugen.“
175 Zentrum für Wasserwesen – Kollektiv für Wasserwesen
Um das Bewusstsein für Wasser als immer wichtiger werdende Ressource zu stärken, wird das Justizzentrum in ein „Zentrum für Wasserwesen“ umgewandelt. Es erhält Wasserspeicher und -filter und ein Biotop für eine Vielzahl von Tieren und Pflanzen. Die Sockelgeschosse sind für die Öffentlichkeit zugänglich und dienen der Erfüllung grundlegender Bedürfnisse im Bereich der Körperhygiene.
Jurystatement:
„Der Film stellt das Thema Wasser auf sowohl dringliche als auch humorvolle Weise in den Mittelpunkt des Entwurfs. Das Justizzentrum wird Zentrum für Wasserwirtschaft. In riesigen Regenwassertanks wird Dachwasser gesammelt, aufbereitet und außer- und innerhalb des Gebäudes in Pfützen und Badewelten verplanscht. Was als Luxus erscheint und Spaß machen soll, ermahnt zu einem sensibleren Umgang von Planer*innen und Nutzer*innen mit Wasser: Gebäudetechnik, bauliche Investitionen für Wasserfangnetze, Filteranlagen, Tanks, Versickerungsflächen dürfen nicht gescheut werden. Der Verbrauch wird sichtbar: Regnet es nicht, trocknen die Hausflure auch wieder aus.“
178 Kulturpalast Sant Benno – Studio Tom Meiser
Im Strafjustizzentrum entsteht ein neues Kulturzentrum mit Jugendzentrum und Stadtteilbibliothek sowie sozialem Wohnungsraum für unterschiedliche Lebensmodelle. Es wird zu einem Ort für Kultur, Jugend und Soziales, in dem sich allen Einwohner*innen des Viertels einbringen können.
Jurystatement:
„Zeit wirds! Die Kultur braucht einen Palast. Vorbei die Zeit, in der die Kultur nicht als systemrelevant eingestuft wurde. Zeit, ihr als Wiedergutmachung einen Palast zu widmen. Bitte haltet ihn in Ehren und lasst auch alle auf den Dachgarten!“
180 Rich Robin in the Hood – Gabriel, Lenny und Nikolas, Wittelsbacher-Gymnasium
Das ehemalige Justizzentrum wird in drei Bereiche unterteilt: Der untere Teil des Gebäudes wird zu einem Casino umgewandelt, das die restlichen gemeinnützigen Teile des Gebäudes finanziert. Im mittleren Teil des Gebäudes entsteht ein öffentliches Hygiene-Center für Bedürftige, auf dem Dach eine Rooftopbar mit nachhaltigem Pflanzenanbau.
Jurystatement:
„Die Finanzierung ist das A und O jedes Projektes. In diesem Vorschlag finanziert ein Teil des Hauses den anderen. Der totale Kontrast zwischen Casino als Geldmaschine und dem Erfüllen der menschlichen Grundbedürfnisse ist eine provokante Darstellung der Gesellschaft. Robin nahm von den Reichen. Heute ist das Lockmittel ein anderes, weder Diebstahl noch Spende. Im Casino fließt das Geld durch den eigenen Willen. Das Geld verlässt das Haus aber nicht und verschwindet auch nicht in privaten Taschen. Eine Finanzierung des ‚nicht Finanzierbaren‘.“
182 Library of Repair – Krater Fajan Kunst-und Architekturkollektiv (Neslihan Kiran, Lukas Kochendörfer, Niklas Nalbach, Leon Stoff, Fabien Stoque)
Das ehemalige Justizzentrum wird zum Mittelpunkt einer neuen Handwerks- und Reparaturkultur. Die Library of Repair ist Prototyp für zirkuläres Bauen und Kreislaufwirtschaft in München, bei dem die daraus resultierende Expertise durch Trainings und Workshops weitergegeben wird.
Jurystatement:
„Wir müssen umdenken. Reparieren, wiederverwenden und recyclen. In der Folge der nachhaltigen Rettung des Gebäudes ist dieses Themenhaus als Leuchtturm für ein nachhaltiges Leben zu sehen. Das Bewusstsein soll nicht erst aus der Not entstehen. Das Projekt nimmt mit seinem Nutzungsvorschlag alle mit und zeigt, dass Nachhaltigkeit nicht nur PET Sammeln bedeutet. Wir alle haben ein nachhaltiges Leben in uns. Hier wird der Fächer geöffnet und neue innovative Reparaturen werden umgesetzt. Ein zukunftsbejahendes Projekt mit Einbezug der Stadtbevölkerung.“
188 Sub.Rig – studio m
Der Entwurf schlägt vor, das Justizzentrum in ein basisdemokratisches und selbstverwaltetes Subkulturzentrum umzuwandeln. Die oberen Bürogeschosse dienen als Atelier- und Büroräume, während die massiveren Sockelgeschosse für musikalische Aktivitäten wie Tonstudios und Proberäume genutzt werden.
Jurystatement:
„Ein durchdachtes Plädoyer für eine Öffnung des Justizzentrums für alle durch eine subkulturelle Nutzung, mit politischem Anspruch und Weitsicht, die die andauernde Verdrängung durch Zwischennutzungen aufbrechen will. Die Nutzer*innengemeinschaft wird selbst in eine Entscheider*innenrolle gebracht, um Bedürfnisse und Anforderungen an ein solches Zentrum zu sammeln und zu erproben – mit basisdemokratischen Prozessen, prüfendem Blick auf Ökologie und die Notwendigkeit jeweiliger Umbauten. Ziel ist die Selbstverwaltung des Gebäudes durch eine solidarische Stadtgesellschaft, frei von Gewinnabsichten und marktwirtschaftlichen Zwängen. Für Wohnen im Bestand des Justizzentrums sieht die Einreichung viele Hürden durch die bisherige Architektur und dem bestehenden Gebäudeskelett bzw. Infrastruktur gegeben und will deshalb darauf verzichten.“
195 Haus der Gerichte – ATP München Planungs GmbH
Das Haus der Gerichte ist ein Vorschlag für die Lebensmittelproduktion in einer Welt, deren Bevölkerung wächst, während deren Anbauflächen begrenzt sind. Neben dem Anbau von Nahrungsmitteln wird rund ums Thema Essen diskutiert, experimentiert, geforscht, gelernt und Wissen vermittelt.
Jurystatement:
„Essen müssen alle. Doch woher kommen unsere Nahrungsmittel und wie werden sie produziert? Der Zyklus der Nahrung muss uns alle interessieren. In diesem Projekt finden viele neue Ideen der ‚food production‘ Platz und können so anhand des Justizzentrums sichtbar gemacht werden. Der Vorschlag hat das Potential, eine komplette Neudefinition und Sinngebung für dieses Gebäude zu sein.“
204 Revitalisierung der Urbanen Oasen: Ein Neues Leben für den Innenhof – Mingyan Wang und Weronika Kłósek-Gniewkowska
Ziel des Vorschlags ist es, den Innenhof zu einem zugänglichen und multifunktionalen Raum für alle Stadtbewohner*innen umzugestalten. Der offene Raum wird mit beweglichen Möbeln ausgestattet, um flexibel eine Vielzahl von Nutzungen zu ermöglichen: von Erholung und Essen über Sport bis hin zu Veranstaltungen und Partys.
Jurystatement:
„Der derzeit abgeschottete Hof des Justizzentrums wird schon im Titel als Oase bezeichnet und stellt das Herzstück des Projektes dar. Als gezielt architektonischer Eingriff hebt ein neuer Boden auf der bestehenden Pergolastruktur das Niveau des Hofes an und verbindet diesen mit der Umgebung. Gleichzeitig wird durch neues Material und Farbe der Raum klar abgesteckt und markiert. Wir können uns gut vorstellen, dass nur wenige Tore und Öffnungen angrenzende Räume zu beleben vermögen und schließlich das ganze Gebäude aktivieren. Die sehr atmosphärischen Bilder überzeugen uns von der Kraft des neuen Zentrums und zeigen den Wert von jedem bespielbaren Quadratmeter urbanem Raum.“
205 Bürger*innenrathaus – CollColl e.V.
Das Bürger*innenrathaus verbindet Räume für Kultur und experimentelles Wohnen mit einem Bürger*innenrat, einem Werkzeug der direkten Demokratie: In kleinen Gruppen diskutieren Bürger*innen gemeinsam eine Fragestellung und erstellen Handlungsempfehlungen, die sie der Politik übergeben. Ausgewählt werden die Teilnehmenden per Losverfahren unter Berücksichtigung von sozialstrukturellen Merkmalen, um die Vielfalt der Gesellschaft abzubilden.
Jurystatement:
„Der Entwurf eines Hauses für alle – mit einem Anspruch an direkte demokratische Teilhabe, überregionale Vernetzung und für mehr Gestaltungsspielräume der Zivilgesellschaft. So kann ein Ort für Prozesse gemeinsamer Ideenfindung, Organisierung und Gestaltung entstehen, die mit der Politik konkret verhandelt werden sollen. Kulturelle Veranstaltungen, gemeinschaftliche Projekte und experimentelle Wohnformen ergänzen das Konzept und sollen sich an die wandelnden Bedürfnisse einer Stadtgesellschaft anpassen können.“
208 Sorgende Stadt – Mussoni Stölzl Architekt*innen
In diesem Zeitstrahl wird neben der üblichen Vorgehensweise, die langjährigen Leerstand, Abriss und Neubau beinhaltet, eine Alternative skizziert, in der eine Kooperation zwischen Freistaat Bayern, Landeshauptstadt München, zivilgesellschaftlichen Initiativen, Genossenschaften und dem Mietshäuser Syndikat das Gebäude transformiert. Entstehen soll neben verschiedenen Wohnformen ein Care-Forum, in dem die üblicherweise unsichtbar gemachte Sorgearbeit wertgeschätzt wird.
Jurystatement:
„Die Utopie einer Public-Civic-Partnership zwischen Freistaat Bayern, Landeshauptstadt München und einem Zusammenschluss aus Initiativen, mit dem Ziel, bisher oft unsichtbare Care-Arbeit mit Visionen von Care-Ökonomie neu zu denken. Die Basis der Einreichung bildet ein detaillierter Zeitstrahl als Vision, der den bisherigen Planungen konträr gegenübergestellt wird und so mehrere Jahre Leerstand, Abriss und einen Neubau verhindern würde. In Zusammenarbeit mit der Gesellschaft wird eine langfristige Perspektive für eine gelungene Transformation erprobt und ausgehandelt. Hierfür werden konkrete Initiativen benannt, die beteiligt werden sollen.“
213 Not Just(iz) Me! – FHAO + STUDIO RAPIET
In einer Videocollage beantworten Münchner*innen die Frage, welche Nutzungen sie sich für das Justizzentrum wünschen. Neben einer Vielzahl an Vorschlägen wird so ein partizipativer Planungsprozess skizziert, in dem die Zivilgesellschaft eingeladen wird, über die Zukunft des Gebäudes zu verhandeln.
Jurystatement:
„Das Projekt leitet die Bedarfsabfrage direkt an die Stadtgesellschaft weiter und lässt exemplarisch Stimmen der Münchner*innen laut werden. Sie werden zu Ideengeber*innen und Entscheidungsträger*innen. Soziale Teilhabe wird hier zur Praxis eines Entwurfskonzepts zur Umnutzung des Justizzentrums. Dieses partizipatorische Prinzip kann als Grundlage für ein Ausarbeiten des Bebauungs- und Nutzungskonzept dienen. Wer spricht? Wer entscheidet und wie kann Teilhabe anders zugänglich gemacht werden? Diese Einreichung beleuchtet eben diese Fragen und setzt ein Schlaglicht auf einen demokratischen Prozess in der Entscheidungsfindung.“
219 Aufschließen – prototo
Das Video erzählt von einer Zukunft, in der das Strafjustizzentrum erfolgreich vor dem Abriss gerettet und zu Raum für Wohnen, Arbeiten und Gastronomie umgenutzt wurde. Der Umbau erfolgte mit minimalen baulichen Eingriffen, um die Geschichte des Gebäudes sichtbar zu lassen.
Jurystatement:
„Das Justizzentrum ist längst bewohnt. Im Rückblick erzählt die Bewohnerin, wie über 50.000 Quadratmeter Geschossfläche zu Gewerbeflächen und Wohnungen umgenutzt wurden. Eine sehr sensible Bildwelt zeigt im Film, dass das Gebäude behutsam mit beinahe denkmalpflegerischer Genauigkeit ertüchtigt wurde. Kleine Ergänzungen reparierten Fehlstellen, Belebung und Möblierung nahmen ihm die Schwere. Die realitätsnahe Darstellung und Selbstverständlichkeit der Erzählung machen den Abriss des Justizzentrums unvorstellbar. Der Film macht Mut und stellt ein durchdachtes Kommunikationsmittel dar, welches hoffentlich viele vom städtebaulichen Wert des Gebäudes überzeugt.“
Weitere 17 Arbeiten der engeren Auswahl
108 Recht und Gerechtigkeit – Inklusion im ehemaligen Strafjustizzentrum – Robin Dollhopf, OTH Regensburg
116 TO THE PEOPLE – Sans Sens
130 Träume von Räumen – Franziska Michl
134 Gemeindebau – Moritz und Finn, Wittelsbacher-Gymnasium 11d (Klasse Jutta Göhrlich)
137 Justice for all – Studio Eins
143 Haus der Reparatur – Less Yellow
146 City Jungle – Grassinger Emrich Architekten GmbH
154 connected – Thamm, Leah, OTH Regensburg
161 Transformation des Schönen – frank&friker Architekten und Stadtplaner PartG mbB
162 circum – 4G+
170 Start Living Culture Together – L.A. Kollektiv
171 Die Kontrollierte Aneignung – almo‘
172 Erhalt Knallt – studio t:raum (kollektiv für transformative räume)
173 Strafjustizzentrum – A Cinderella Story – Reiter Schernthaner GbR
186 House of Sound – Levi Pfaus, OTH Regensburg
198 STADTMASCHINE – ARGE Stadtmaschine
199 Ein Haus für Alle – BuHa ARGE
121 Ideen für das Strafjustizzentrum
Hier können alle 121 eingereichten Arbeiten gesammelt heruntergeladen werden. Ein Beitrag besteht jeweils aus einem A2 Plakat bzw. einem Video und einem A4 Blatt.